Diese Frage hat sich für uns lange nicht gestellt. Wir beide, Armin und ich, sind nach unserer Matura zum Studieren nach Wien gezogen. Armin stammt aus Toblach, einer kleinen Gemeinde im südtiroler Pustertal, ich komme aus Rohrbach. Wir beide nahmen unser Studium zum Anlass, räumliche Distanz zwischen uns und unseren jeweiligen Heimatort zu bringen, Stadtluft zu schnuppern und unsere eigenen Wege zu gehen.

Lange war klar: Wir würden in Wien bleiben

Wir lernten uns gegen Ende unserer Studien (Armin hat Wirtschaftsinformatik studiert, ich Sinologie und Internationale Entwicklung) kennen und waren uns einig, dass wir in der Großstadt bleiben würden. Wir fühlten uns in Wien ausgesprochen wohl, hatten unsere Freund*innen dort, genossen die Freizeitmöglichkeiten und auch die Anonymität. Uns genügte es vollkommen, alle paar Wochen mal zu unseren Familien aufs Land zu fahren. Mehr Grün brauchten wir nicht, und glaubten auch, das würde so bleiben.

2015 bekamen wir unser erstes Kind. Wir tauschten kurz darauf aus beruflichen Gründen für ein paar Monate Wien gegen Sydney ein. Retour in Wien, störte uns zwar kurzzeitig der legendäre Wiener Grant, der schon am Flughafen spürbar war und einen Kulturschock auslöste – nach sechs Monaten hatten wir die australische Freundlichkeit als völlig normal erachtet. Dennoch war für uns weiterhin klar: Wir wollen in Wien bleiben, auch mit Kind.

Sehnsucht nach mehr Grün für die Kinder

Unser Kind wurde größer, das zweite folgte. Langsam begannen wir unsere Entscheidung, in Wien bleiben zu wollen, zu hinterfragen. War eine Kindheit in der Großstadt, genauer gesagt einem innerstädtischen Bezirk, wirklich das, was wir uns für unsere Kinder vorstellten? Identifizierten wir uns ausreichend mit Wien, mit dem Dialekt, mit der Urbanität? Wie sollten wir unseren Alltag fernab von Großeltern und anderen Familienmitgliedern so organisieren, dass auch wir als Erwachsene hin und wieder Zeit zum Verschnaufen und Kinder-frei hatten?

Es war während meiner Schwangerschaft zum dritten Kind, als wir uns wirklich intensiv mit der Wohnortwahl auseinanderzusetzen begannen. Wir begannen, uns ein paar Baugruppenprojekte in und um Wien anzusehen und verschiedene Szenarien durchzuspielen: In der Stadt bleiben, in den Speckgürtel ziehen, irgendwo am Land völlig neu anfangen, den Familienanschluss suchen (also in einen Ort ziehen, in dem schon jemand aus unseren Familien wohnt). Natürlich kam auch die finanzielle Komponente ins Spiel: Was war leistbar? Besonders wichtig war für uns auch die Frage: Wohin können wir ziehen, ohne uns a) gefühlt für immer auf diesen Ort festzulegen, z.B. aufgrund eines Hausbaus oder uns b) große Mietausgaben aufzuhalsen.

Die Unzufriedenheit mit dem Stadtleben mit bald drei Kindern wuchs. Wir träumten von einem kleinen Garten, in den unsere größeren Kinder laufen konnten, ohne dass wir auch bereits in Jacken und Schuhen steckten und sie begleiteten. Wir sehnten uns nach Wald und Wiesen, ohne die halbe Stadt durchqueren zu müssen.

Zurück ins Elternhaus? Das Undenkbare wird denkbar

Wir waren selbst überrascht, als wir ernsthaft darüber zu diskutieren begannen, heim zu meinen Eltern nach Rohrbach-Berg zu ziehen. Bis vor kurzem hatten wir diese Option gar nicht als solche wahrgenommen. Die Unabhängigkeit von unseren Eltern war schließlich ein großer Teil unserer beider Identität. Beinahe 17 Jahre hatten wir mittlerweile fernab unserer Eltern verbracht.

Dennoch, der Gedanke blieb und begleitete uns. Eines Tages sprach einer von uns aus, was auch der andere schon länger im Kopf hatte: Einen Umzug nach Rohrbach-Berg müssten wir unbedingt dafür nützen auch beruflich eine große Veränderung zu wagen und unser Herzensprojekt, einen eigenen Bioladen, Wirklichkeit werden zu lassen! Nur dort hätten wir die familiäre Unterstützung bei der Kinderbetreuung sowie ausgesprochen geringe Fixkosten fürs Wohnen, nur dort könnten wir so einen Schritt ins ungewisse Unternehmertum wagen.

Nicht einfach „nur so“ aufs Land

Der Gedanke gefiel uns: Ein eigener Bioladen in Rohrbach-Berg! Er reifte, wurde weitergesponnen, immer wieder überprüft. Uns erschien es wichtig, uns in der Kleinstadt einen für uns sinnvollen, sinnstiftenden und unseren Qualifikationen entsprechenden Job zu schaffen. „Nur so“ für mehr Grün und Auslauf für die Kinder wollten wir uns den Umzug nicht antun. Wir hatten den Anspruch, den Umzug mit etwas Größerem zu verbinden und die Chance zu ergreifen, nun auch unser privates Interesse an biologischen Lebensmitteln und Kulinarik zum Beruf zu machen.

Eines Tages hatten wir unseren Entschluss gefasst und beschlossen, dass die Zeit reif war, um meine Eltern zu fragen, ob wir bei ihnen einziehen durften. Das war Ende 2019, kurz vor der Geburt unseres dritten Kindes.

Meine Eltern waren sehr überrascht und begeistert. Sie freuten sich auf die Perspektive, dass drei ihrer Enkelkinder zukünftig im gleichen Haus wohnen würden. Ihnen gefiel auch das Vorhaben des eigenen Bioladens. Armin und ich waren nun einerseits erleichtert, dass wir unseren Plan publik gemacht hatten. Andererseits war ab diesem Zeitpunkt auch klar, dass es kein Zurück gab. Wir würden 2020 nach Rohrbach-Berg ziehen und dort unser Berufsleben auf neue Beine stellen, das war nun fix. Doch wie kamen wir eigentlich auf die Idee, einen Bioladen zu gründen?

Träume entwickeln sich weiter: vom Kaffeehaus zum Bioladen

Schon in den Anfangsjahren unserer Beziehung hatten Armin und ich immer wieder davon gesprochen, wie schön es wäre, z.B. ein eigenes Kaffeehaus oder Restaurant zu führen. Die Anfänge unserer Träumerei lagen noch weiter zurück: Armin spielte schon während seines Studiums mit dem Gedanken eine Alm in den Dolomiten zu pachten und dort Bergwandernde zu bewirten. Mir gefiel die Idee vom eigenen Kaffeehaus erstmals mit 15 Jahren, als ich in einem kleinen Künstlerkaffee in Schottland aushalf. Gleichzeitig war uns während all der Träumereien und Gespräche bewusst, dass ein gastronomisches Unterfangen schwer mit dem Anspruch, viel Zeit für die eigenen Kinder zu haben, vereinbar war. Scherzhaft sprachen wir davon, uns später dann, nämlich kurz vor der Pension, mit einem gastronomischen Unterfangen selbständig zu machen.

Zu Beginn noch unabhängig davon rückte für uns die Frage, wie wir in der Großstadt möglichst direkt bei Landwirt*innen einkaufen könnten, im Laufe der gemeinsamen Jahre in Wien immer mehr in den Vordergrund. Das Einkaufen im Supermarkt fanden wir aus mehreren Gründen unattraktiv. 2013 haben wir schließlich die Gründung der Foodcoop Klappertopf in Wien Landstraße initiiert und uns gefreut, endlich auch in der Großstadt wirklich gute, biologische Produkte direkt von Landwirt*innen beziehen zu können.

Mit dem Engagement in der Foodcoop ging der Aufbau und die Intensivierung von Kontakten zu Bio-Landwirt*innen in Österreich und Italien einher. Besonders beeindruckt haben uns die sogenannten Speisereisen, also Besuche bei den Bio-Landwirt*innen, die unsere Foodcoop belieferten: Wir wussten, wie die Menschen aussehen und reden, die unsere Bio-Milch produzierten, wir hatten ein Bild vom Gemüseacker unseres Gemüsebauern im Kopf und schätzten seinen Zugang zum Naturschutz.

Die köstlichen Bio-Produkte, die wir dank der Foodcoop nun beziehen konnten, begeisterten uns geschmacklich und gaben uns das Gefühl, bewusst und sinnvoll zu konsumieren. Daraus entstand langsam das Bedürfnis, uns eines Tages auch beruflich mit diesem Thema zu beschäftigen. Wir wollten noch mehr dieser tollen Bio-Produkte und Produzent*innen dahinter entdecken, auch anderen davon erzählen und sie zugänglich dafür machen. Dieses Unterfangen in Form eines Bioladens, eventuell gekoppelt mit einer kleinen Gastronomie, erschien uns wesentlich kompatibler mit unserer aktuellen Lebenssituation als Jungfamilie.

Und so sind wir heute an dem Punkt, in dem wir jeden Freitag zum LieblingsSpeis-Freitag machen, freundliche, interessierte Menschen mit besten Bio-Produkten aus der Region versorgen dürfen und selber gespannt sind, wie sich die LieblingsSpeis weiterentwickeln wird. Pläne gibt es viele…

Bis bald in der LieblingsSpeis!

Elisabeth

Dieser Text ist in gekürzter Form im Juni 2021 in der Zeitschrift „netzwerk zukunftsraum land“ (Ausgabe 2/21) erschienen. Die veröffentlichte Version ist hier abrufbar: https://issuu.com/zukunftsraumland/docs/zeitschrift_2_2021_k8_web

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Ein Kommentar

  1. Ich finde es wirklich klasse, dass ihr euch dazu entschieden habt wieder zurück auf das Land zu gehen. Wir waren auch schon häufiger im Bezirk Rohrbach unterwegs und finden die Gegend einfach toll. Am liebsten genießen wir die Aussicht aus einem Gasthof beim leckeren Mittagessen.

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